Pressemitteilung: Kandidierende für OB-Wahl am 12. März positionieren sich zu Erinnerungspolitik an rechte Taten in Kassel – nur OB Geselle ignoriert Anfrage der Initiative 6. April

Hervorgehoben

Die Initiative 6. April verschickte am 21. Februar einen offenen Brief mit Fragen bezüglich Erinnerungs- und Gedenkarbeit in Kassel an alle Kandidierenden der OB-Wahl am 12. März (Frist für die Rückmeldung war der 3.3.). Bis heute (Stand 7.3.) haben alle Kandidierenden mit Ausnahme von dem parteiunabhängigen Kandidaten Christian Geselle auf den Brief reagiert und ihre Antworten geschickt.

Link zu den Antworten der Kandidierenden (Originaltext)

Link zur Bewertung der Antworten sowie einer Kurzeinschätzung zu den jeweiligen Kandidierenden durch die Initiative 6. April

Die Initiative 6. April zieht folgendes Fazit auf Grundlage der (fehlenden) Rückmeldungen der Kandidierenden:

Isabel Carqueville (SPD), Violetta Bock (Die Linke) und Sven Schoeller (Die Grünen) äußern als einzige Kandierende explizit die Bereitschaft, auf Betroffene rechter Gewalt in Kassel zuzugehen und ihnen zuzuhören. Im Zuge dessen stellen sich jedoch nur Violetta Bock und Sven Schoeller hinter die Forderung nach einem Denkmal auf der Friedrich-Ebert-Str., welches an den rassistischen Mordversuch an B. Efe erinnern soll. Sven Schoeller teilt zudem als einziger Kandidat die Forderung der Initiative 6. April, dass auf der Walter-Lübcke-Brücke die Benennung des extrem rechten Tatmotivs notwendig ist. Sowohl Bock als auch Schoeller wollen Betroffene finanziell unterstützen. Paul Heinz, Sprecher der Initiative 6. April stellt fest: „Wir sind erfreut, dass der kommunale Opferfonds von Violetta Bock unterstützt wird. Aus unseren Erfahrungen mit den verschiedenen Opferfonds der Bundesregierung und des Landes Hessen braucht es einen zusätzlichen kommunalen Soforthilfe-Fond, um direkt und unbürokratisch nach Angriffen Betroffene zu unterstützen.“

Der amtierende OB Geselle verpasst mit seiner fehlenden Reaktion die Möglichkeit sich zum Umgang mit Überlebenden rassistischer Angriffe in den vergangenen Jahren in Kassel zu positionieren. Auch auf der  Wahlkampfseite von Herrn Geselle (christian-geselle.de) wird mit keinem Wort auf die rechte Gewalt in Kassel hingewiesen oder verbesserte Wege der Unterstützung von Überlebenden und Betroffenen rechter Gewalt diskutiert. Und dies ausgerechnet, obwohl die öffentlich bekannten Taten an Walter Lübcke und B.Efe in die Amtszeit von OB Geselle fallen. Paul Heinz antwortet: „Erneut demonstriert Geselle seine Ignoranz gegenüber Betroffenen rechter Gewalt sowie erinnerungspolitischen Aufgaben. Ein Kurswechsel im Falle einer Wiederwahl von Christian Geselle können wir nicht erwarten.“ Das Handeln von Herrn Geselle verschleiert in den Augen der Initiative 6. April die Folgen rechter Gewalt in Kassel und hat fatale Folgen für Überlebende und Betroffene. Es erschwert eine würdige öffentliche Gedenk- und Erinnerungsarbeit, sowie die konsequente Aufarbeitung rechter Taten und deren politische Einordnung in der Stadt.

Trotz der Bereitschaft auf Betroffene zuzugehen, verweist Isabel Carqueville, SPD, in ihren Antworten in erster Linie auf die Verantwortung anderer Behörden und sieht kaum erinnerungspolitische Gestaltungsmöglichkeiten bei dem Amt der Oberbürgermeisterin.

Eva Kühne-Hörmann, CDU, lässt in ihrer kurzen Rückmeldung keine konkreten Ideen oder Konzepte zur Verankerung von erinnerungspolitischen Themen in der Stadtpolitik in Kassel erkennen. Violetta Bock stellt sich als einzige Kandidierende hinter die Forderung der Familie Yozgat, die Holländische Straße in Halitstraße umzubenennen. Paul Heinz zeigt sich ernüchtert: „Die Begründungen für eine Ablehnung der Umbennung sind nicht neu, sie stehen für uns schlicht für ein fehlenden politischen Willen. Wir sind dankbar, dass wenigstens Bock die Umbenennung unterstützt.“

Alle Antworten verweisen darauf, dass die Kandidierenden die Notwendigkeit, an rechte, antisemitische und rassistische Gewalt in Kassel zu erinnern und dabei Betroffene und Hinterbliebende aktiv einzubinden, anerkennen. Dabei bleibt für uns an vielen Stellen leider offen, wie dies umgesetzt werden soll, da  sich „Kümmern“ (Kühne-Höhmann) oder miteinander „Reden“ (Isabell Carquville)für uns lediglich die ersten Schritte sind. Konzepte und eigene Ideen sehen wir vor allem in den Antworten von Bock und Schoeller. Die jährliche Gedenkveranstaltung am 06.April unterstützten alle Kandidierenden. Bock und Schoeller erwähnen hier explizit ihre Unterstützung für (zivil)gesellschaftliche Initiativen, wie unsere.Wir nehmen darüberhin hinaus wahr, dass viele der Kandidierenden insbesondere auf Bildungs- und Lernangebote setzen, was wir als Initiative 6. April begrüßen. Gleichzeitig braucht es konkrete finanzielle Unterstützung von Betroffenen sowie Initiativen, die Entwaffnung rechter Netzwerke, den Bekämpfung von rechten Entwicklungen in Polizei und dem Verfassungsschutz sowie vieles mehr.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne jederzeit unter initiative.6.april@gmx.de zur Verfügung. 

Mit freundlichen Grüßen!

Initiative 6. April

Pressespiegel zum Offenen Brief der Initiative 6. April im OB-Wahlkampf 2023

… wird aktualisiert (Stand 07.03.2023)

Beitrag & Interview mit der Initiative 6. April im Deutschlandfunk von Ludger Fittkau: Wo steht Hessen in der Erinnerungspolitik? https://www.deutschlandfunk.de/wo-steht-hessen-in-der-erinnerungspolitik-eine-initiative-hakt-nach-dlf-53c0f7f1-100.html

Kurzeinschätzungen der Initiative 6. April bezüglich der Antworten auf den Offenen Brief der OB-Kandidat*innen 2023

Auf den offenen Brief an die sechs Kandidierenden haben aktuell (Stand 07.03.) fünf Kandidat_innen reagiert, wofür wir uns ganz herzlich bedanken wollen. Bisher haben wir nur keine Antworten von Christian Geselle (unabhängig, amtierender OB) erhalten. Die große Relevanz des Erinnerns an rechte, antisemitische und rassistische Gewalt und die grundsätzliche Unterstützung jährlicher Gedenkveranstaltungen wird in allen Antworten deutlich, was uns sehr freut. Im Folgenden geben wir kurze Einschätzungen zu den jeweiligen Kandidierenden ab. 

Kurzeinschätzungen:

Christian Geselle, amtierender Oberbürgermeister und unabhängiger Kandidat, hat als einziger der Kandidierenden nicht auf unseren offenen Brief geantwortet. Dies demonstriert sein geringes Interesse an bzw. Ignoranz von erinnerungspolitischen Fragen und dem Problem rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt. Die kürzlich veröffentlichte Internetseite „Gesellige Wahrheiten“ liefert hierfür weitere Anhaltspunkte. Dort wurden u.a. eine Falschaussage von dem amtierenden OB im Zusammenhang mit einer Petition für die Freigabe der NSU-Akten sowie seine Rolle bei der fragwürdigen Absage der Gedenkkundgebung an Halit Yozgat im Jahr 2018 (nachzulesen unter: https://geselligewahrheiten.de/) öffentlich gemacht. Auf einen Kurswechsel und neue Impulse in der städtischen Gedenkpolitik lässt sich im Falle einer Wiederwahl von Christian Geselle nicht hoffen. 

Isabel Carqueville, SPD, ging auf viele unserer Fragen nicht konkret ein und brachte stattdessen eigene politische Anliegen in ihrer Antwort unter. Beispielsweise machte sie Ausführungen zur Ablehnung von Genehmigungen der Waffenbörse, was wir grundsätzlich begrüßen. Die Ungenauigkeit der Antworten und zahlreiche Verweise auf andere verantwortliche Institutionen, hinterlassen bei uns einen Eindruck von Unwissenheit zu den bekannten Fällen rechter Gewalt und erinnerungspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten als Oberbürgermeisterin. Es mangelt an einem zeitgemäßen Verständnis von oder Konzept für eine aktive Erinnerungskultur. Die Umbennung der Holländischen Straße in Halitstraße lehnt Isabel Carqueville ab.

Eva Kühne-Hörmann, CDU,bleibt in ihrer kurzen Rückmeldung oberflächlich. Sie zitiert darin aus dem Koalitionsvertrag und schiebt die Verantwortung größtenteils auf das Land Hessen. Es lassen sich keine konkreten Ideen oder Konzepte zur Verankerung von erinnerungspolitischen Themen in der Stadtpolitik in Kassel erkennen. Sie verweist darauf, dass sie als ehemalige Justizministierin verantwortlich für die Etablierung des neuen hessischen Opferfonds war. Den Kontext der Entstehung des Fonds, die rassistischen Morde in Hanau sowie die lautstarken Kämpfe von Familien, Angehörigen und der Initiative 19. Februar nennt sie in diesem Zusammenhang nicht. Die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße lehnt sie ab.

Sven Schoeller, Die Grünen, geht in seiner Antwort gezielt auf unsere  Fragestellungen ein und nennt konzeptionelle Ideen zur Umsetzung einiger unserer Forderungen. U.a. begrüßt er die Idee einer Plakette für B. Efe und teilt unsere Kritik an der fehlenden Nennung des rechts radikalen Tatmotivs auf dem Schild „Walter-Lübcke Brücke“. Ebenso bietet er konkrete Unterstützung für Betroffene rechter Gewalt an. Wir nehmen bei Sven Schoeller ein glaubwürdiges Interesse wahr, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich für Veränderungen in der städtischen Gedenkpolitik einzusetzen. Demgegenüber lehnt er leider die Umbennung der Holländischen Straße in Halitstraße ab. Außerdem sieht er die Polizei als Anlaufstelle für Betroffenene rechter Gewalt, was wir aufgrund der zuletzt insbesondere in Hessen mehrfach bekannt gewordenen Verstrickungen zwischen Polizei und rechten Akteuren bzw. rechter Umtriebe innerhalb der Polizei für problematisch halten. 

Violetta Bock, DieLinke, teilt die von uns aufgestellten Forderungen und setzt durch ihre Antwort eigene Impulse für eine würdige städtische Gedenk- und Entschädigungspoltik . Sie nennt in diesem Zusammenhang konkrete Ideen, wie z.B. die Anstellung von Ansprechpartner*innen für Betroffene bei der Stadt. Violetta Bock setzt das Problem rechter Gewalt in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext, was wir sehr begrüßen. Sie unterstützt die Idee eines kommunalen Opferfonds zur Soforthilfe von Betroffenen, die Forderung der Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße sowie die Schaffung einer Gedenkplakette für B. Efe.

Stefan Käufler schreibt, dass Satire keine Umgangsform für das Thema darstellt und er  keine inhaltliche  Antworten liefern kann. Er drückt aus, dass er die Arbeit der Initiative 6. April für wichtig hält.  

In allen Antworten wird deutlich, dass die Kandidierenden für die OB-Wahl am 12. März die Notwendigkeit, an rechte, antisemitische und rassistische Gewalt zu erinnern und Betroffene und Hinterbliebende aktiv einzubinden, anerkennen. In den Antworten werden  Erinnerung und Aufklärung der Taten in Zusammenhang gestellt. Eine Einschätzung, die Betroffene, Hinterbliebene und Initiativen immer wieder betonen. In diesem Kontext nennen mehrere OB-Kandidierende Bildungsarbeit als ihre Strategie gegen das Vergessen und weitere rechte Taten. 

Violetta Bock und Sven Schoeller äußern als einzige Kandierende explizit die Bereitschaft, auf Betroffene rechter Gewalt in Kassel zuzugehen, ihnen zuzuhören und die Unterstützung der jährlichen Gedenkfeiern durch die Stadt auszubauen. Im Zuge dessen stellen sie sich auch als einzige Kandidierende hinter die Forderung von B. Efe nach Denkmal auf der Friedrich-Ebert-Str., welches an den von ihm überlebten rassistischen Mordversuch erinnern soll. Außerdem äußern sie als einzige Kandidierende Unterstützung für gesellschaftspolitische Akteure im Bereich der Erinnerungspolitik, wie der Initiative 06.April. Betroffene, Hinterbliebene und Initiativen sind es, die sich bis heute in Kassel (und bundesweit) mit den Taten auseinandersetzen und die Öffentlichkeit suchen. Dabei können sie bislang in Kassel meist nicht auf kommunale Unterstützung setzen. 

Wir teilen als Initiative 6. April daher nicht die Einschätzung von Isabel Carqueville, wonach Kassel sich auf „einem guten Weg“ befindet. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass Aussagen wie die von Eva Kühne-Hörmann, wonach das „Gedenken an Halit Yozgat […] immer in unseren Gedanken präsent sein“ wird, nicht getätigt werden ohne gleichzeitig konkrete Schritte für ein würdiges Gedenken zu benennen. 

Orginalantworten der OB-Kandidat*innen auf den Offenen Brief der Inititative 6. April bezüglich erinnerungspolitischer Arbeit in Kassel

Im Folgenden finden Sie alle Antworten, der OB-Kandidat*innen auf den Offenen Brief der Initiative 6. April. Es haben (Stand 07.03.2023) fünf der sechs Kandidat*innen geantwortet. Der aktuelle OB Christian Geselle hat keine Antwort gesendet. Eine Kurzeinschätzung von uns finden Sie hier. Eine Pressemittelung finden Sie hier.

  1. Antwort von Violetta Bock (Die Linke Kassel)
  2. Antwort von Sven Schoeller (Bündnis 90/Grüne Kassel)
  3. Antwort von Isabel Carqueville (SPD Kassel)
  4. Antwort von Kühne-Hörmann (CDU Kassel)
  5. Antwort von Stefan Käufler

Antwort von Violetta Bock (Die Linke Kassel)

Ich teile die Forderungen und bin dankbar für jede Initiative, die bereits jetzt Opfer rechter Gewalt unterstützt und Aufklärung und Konsequenzen vehement einfordert.

Solidarität: Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt und verlangen eine konsequente Aufarbeitung dieser. Natürlich gehört dazu auch, dass die Rolle von Angestellten von Regierungsorganisationen hinterfragt wird. Ob wir von Andreas Temme oder einzelnen Polizist*innen oder angeblichen Verfassungsschützer*innen reden. Hierfür fordern wie unabhängige Kontrollstellen all dieser Organe, um die Machenschaften strukturell rassistischer Gewalt in Regierungsorganisationen aufzudecken. Hierfür müssen rassistische Gewalttaten als solche benannt werden, um den strukturellen Rassismus dieser aufzuarbeiten. Dafür müssen wir mit Betroffenen reden und vor allem zuhören. Strukturen können nur verändert werden, wenn wir Betroffenen zuhören und daraus Handlungen ableiten, um rechte Gewalttaten und strukturelle Diskriminierung zu bekämpfen. Die Erfahrung mit Rassismus gehört leider für viele zum Alltag und beginnt schon etwa bei der Wohnungssuche oder der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Hierfür muss die Antidiskriminierungsstelle gestärkt werden. Eine mehrsprachige Verwaltung halte ich ebenfalls für sinnvoll, um Kassel als Stadt für alle Wirklichkeit werden zu lassen.

Klare Zeichen: Selbstverständlich gehören hierzu auch Denkmäler für Betroffene von rassistischer Gewalt. Ich unterstütze grundsätzlich die Umbenennung in Halitstraße. In der Vergangenheit wurde die Ablehnung auch mit dem Aufwand begründet, der damit verbunden ist. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man ihn beziffert und mit diesen Mitteln in Absprache mit Familie und Initiativen abwägt, ob man damit etwa direkt den kommunalen Opferfonds u.Ä. startet. Eine Gedenkplakete am Startpunkt der Taxifahrt von B. Efe und für das Überleben halte ich ebenfalls für sinnvoll. Ich könnte mir vorstellen, dass man mit der Kunstuni eine geeignete Form finden kann und sie auch auf Strukturen hinweist, die Hilfe und Unterstützung anbieten.

Erinnern: Auch kann die Stadt durchaus finanziell und infrastrukturell Erinnerungstage unterstützen. Die Deutungshoheit über die Ausgestaltung muss dabei immer bei den Betroffenen, Angehörigen und Initiativen liegen. Eine Stadtverwaltung und Regierungsorganisationen können nur qualitativ wachsen, wenn sie sich der Kritik von Solidaritätsgruppen oder Betroffenenvertretungen stellen. Auch aus diesem Grund darf hier kein inhaltliches Einmischen seitens der Stadt passieren und ich würde mir sehr wünschen, dass auch die Stadt weiterhin auf Fehlverhalten aufmerksam gemacht wird. Grundsätzlich sollte die Stadt stets mit den engagierten Gruppen zu den Themen und mit den Betroffenen auf Augenhöhe über die Gestaltung von Gedenktagen einig werden. Erinnerungspolitik sollte jedoch auch immer in die Zukunft weisen. Daher sollten Veranstaltungen zu Themen wie Antirassismus und Erinnerungskultur und -politik nicht immer nur im Innenstadtzentrum stattfinden. Auch in Hort- und weiteren Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche sollte so etwas mehr Raum finden. Zur Erinnerungspolitik gehört auch das Gremium zur Überprüfung von Straßennamen endlich einberufen wird.

Direkt sprechen: Ja, und da können wir alle besser werden. Im letzten Jahr habe ich mich zwar mit Ahmed I. und B. Efe getroffen, letztendlich aber auch sehr spät. In beiden Fällen kam der Kontakt über Initiativen zustande, die Erstansprechpartner waren. Die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle könnte hier dafür sorgen schneller direkt Kontakt aufzubauen. Betroffene möchte ich daher auch ermutigen, sich direkt an politisch Verantwortliche zu richten.

Opferentschädigungsfond: Nach einem Angriff ist schnelle unbürokratische Hilfe notwendig. Als Sofortmaßnahme halte ich einen solchen kommunalen Fonds zur Überbrückung für sehr sinnvoll, um Betroffenen schnell Handlungsfähigkeit und Solidarität zu geben. Gleichzeitig muss es für Betroffene von rechter Gewalt auch klare Hilfestellen und Ansprechpartner*innen bei der Stadt geben. In einer solchen Situation ist Unterstützung durch Personen mit Expertise unglaublich wichtig, die sie unterstützen Hilfen zu beantragen und die nötige Unterstützung hierfür, wie Anwälte oder Ähnliches, zu organisieren. Es gibt bereits Organisationen, die sich haupt- und ehrenamtlich eine solche Expertise angeeignet haben. Diese müssen wir viel stärker unterstützen. Ob so ein Fonds direkt bei der Stadt angesiedelt ist oder bei einer unabhängigen Initiative, die finanziell gefördert wird, müsste man weiter überlegen.

Rechte Netzwerke und Verhinderung weiterer Angriffe: Recherche und Aufklärung sind unerlässlich, um gegen rechte Strukturen vorzugehen. Gerade haben wir auch eine Anfrage zum Thema: https://linksfraktion-kassel.de/antraege-und-anfragen/2101-waffenerlaubnis-an-personen-aus-dem-neonazistischen-und-rechtsextremistischen-spektrum

Rechte, rassistische, sexistische, queerfeindliche und diskriminierende Gewalt sind ein großes Problem, welches bekämpft werden muss. Wir dürfen vor diesem Problem unsere Augen nicht verschließen. Struktureller Rassismus ist leider gesellschaftlich so weit verankert, dass es schwer ist dieses Thema nur auf kommunaler Ebene zu lösen. Hierfür brauchen wir die Unterstützung von Betroffenen, damit wir gemeinsam Lösungen finden können die Probleme auf der Ebene zu lösen, auf der wir handlungsfähig sind. Deswegen wünschen ich mir zur Aufarbeitung aber vor allem auch zur Prävention gemeinsame Strategien und Lösungsfindung zur Bekämpfung rechter Gewalt.

Die Friedrich-Ebert-Straße ist in den letzten Monaten immer wieder wegen rechter Gewalt in den öffentlichen Fokus gerückt. Hier sollten wir ansetzen Präventionskonzepte gemeinsam mit den Kulturbetrieben zu erarbeiten. Zunächst einmal braucht es eventuell Sozialarbeiter*innen auf der Friedrich-Ebert-Straße, die vor allem abends und nachts ansprechbar sind und Betroffene unterstützen und einen sicheren Raum anbieten, in den Betroffene sich zurückziehen könne, falls sie sich unwohl fühlen. Helfen können auch Antidiskriminierungsschulungen für alle Angestellten und die Erarbeitung von Schutzkonzepten. Hierfür brauchen wir Unterstützung von Organisationen, die in diesem Bereich ein Expert*innenwissen mitbringen, um diese Schulungen gewährleisten zu können.

Antwort von Sven Schoeller (Bündnis 90/Grüne Kassel)

1. Wie positionieren Sie sich zu unseren oben benannten Forderungen?

Zu 1) Kassel hat eine Geschichte und eine Gegenwart rechter Gewalt. Es ist eine wichtige politische Aufgabe, die Ereignisse, die in diesem Zusammenhang in unserer Stadt stattgefunden haben, nicht zu verdrängen, sondern immer wieder in das Bewusstsein der Menschen zu holen. Dazu gehört Eindeutigkeit in der Aufklärung. Ich stimme Ihnen daher zu, dass eine Gedenktafel, die Walter Lübcke als Opfer einer politischen Tat bezeichnet, nur die halbe Wahrheit offenbart. Er wurde Opfer einer rechtsradikal motivierten Tat.

Zu 2) Es ist die Aufgabe der Stadt, klare Haltung gegen jede Form des Rechtsextremismus zu zeigen. Dies kann in verschiedenen Formen erfolgen: Straßen- und Platzbenennungen, Gedenktafeln, -plaketten, Skulpturen, Bilder, Ausstellungen, Lernorte usw.

Zum Gedenken an Halit Yozgat wurde der Halitplatz benannt. Die Umbenennung der Holländischen Straße wäre mit erheblichen Problemen verbunden, da es sich um eine sehr lange Straße mit sehr vielen (Geschäfts-)Adressen handelt. Ich bin nicht der Meinung, dass für ein mahnendes Andenken an die Tat und ein würdiges Erinnern an Halit Yozgat die Umbenennung der Holländischen Straße zwingend wäre. Ich unterstütze das Anliegen einer Installation zum Gedenken an Halit Yozgat und Walter Lübcke als Opfer rechtsradikaler Gewalt in Kassel auf dem Regierungspräsidium.

Die Aufklärung der Rolle von Andreas Temme wäre überaus wünschenswert. Allerdings müssen wir erkennen, dass weder ein Oberlandesgericht, noch ein Untersuchungsausschuss letzte Aufklärung hierüber bringen konnten. Ich sehe nicht, dass die Stadt Kassel in Hinblick darauf über bessere Möglichkeiten verfügt als das Oberlandesgericht München und der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags.

Eine Gedenkplakette zur Erinnerung an die rechtsradikal motivierte Tat zu Lasten des Mietwagenfahrers B. Efe, der hierdurch schwer und dauerhaft verletzt wurde, unterstütze ich.

Zu 3) Ich finde es richtig, zu den Jahrestagen in angemessener Form an die Ereignisse zu erinnern. Soweit es finanzielle Unterstützung angeht, muss abgeklärt werden, wer diese Unterstützung erhalten soll und wofür sie konkret zu leisten ist.

Zu 4) Sofern mir die Wähler*innen ihr Vertrauen schenken, wird es mit mir als Oberbürgermeister kein Opfer und keinen nahen Angehörigen einer rechtsradikal motivierten Gewalthandlung in dieser Stadt geben, der nicht meinen ganz persönlichen Beistand erhält, wenn der Wunsch hierzu besteht.

Zu 5) Ich sehe ein angemessenes Opferentschädigungsrecht als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe an. Es handelt sich um eine allgemeinpolitische Fragestellung, die meines Erachtens nicht in der Regelungskompetenz einzelner Kommunen liegt. Opferentschädigung muss zur Gewährleistung gleicher Rechtsverhältnisse in Deutschland auch bundesweit geregelt werden. Das bereits beinahe 50 Jahre alte Opferentschädigungsgesetz hat viele Schwächen auch im Vollzug. Die Antragsverfahren sind kompliziert und langwierige Einholung von Gutachten belasten die Anspruchsteller*innen zusätzlich. Hier wäre eine Reform mit deutlichen Verfahrensvereinfachungen wünschenswert. Außerdem müssen Opfer in angemessener Form über ihre Ansprüche aufgeklärt werden. Das geschieht sinnvoller Weise bei der Polizei, da Opfer mit der Polizei ohnehin in Kontakt treten. Hier muss eine Beratung gewährt werden, die über das Aushändigen von Kleingedrucktem hinausgeht.

Zu 6)

Das Ausheben rechter Netzwerke und die Sicherstellung illegalen Waffenbesitzes ist Aufgabe der Polizei- und Sicherheitsbehörden.

2. Planen Sie sich im Rahmen ihrer Amtszeit für die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße einzusetzen, wie bereits seit Jahren von der Familie Yozgat gefordert?

S.o.

3. Wie soll für Sie die Unterstützung von Betroffenen und Überlebenden rechter Gewalt in Kassel zukünftig konkret aussehen?

Betroffene rechtsradikaler Anschläge werden in mir als Oberbürgermeister jederzeit einen persönlichen Ansprechpartner finden, der seine jahrzehntelange Erfahrung als Rechtsanwalt und sein Amt und sein Netzwerk dazu nutzen wird, in jedem einzelnen Fall die individuell gebotene Hilfe zu vermitteln. Die Stadt Kassel wird ein würdiges und mahnendes Andenken an die Opfer und an die Taten praktizieren. Die Stadt Kassel wird Initiativen unterstützen, die sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen.

4. Was wollen Sie zukünftig zu einem würdigen Gedenken an rechte Taten in Kassel beitragen und welche Erinnerungspolitik wollen Sie verfolgen?

Wie bereits oben dargelegt, gibt es vielfältige Formen des Erinnerns. Wir werden diese Formen befördern. Besonders wichtig sind mir Lernorte in und außerhalb von Museen. Die Tatorte müssen ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden. Und es sollte meines Erachtens keine Schulklasse in der Stadt Kassel geben, die sich nicht mit den konkret hier vor Ort in Geschichte und Gegenwart erfolgten rechtsradikalen Gewalttaten befasst hat.

5. Wie planen Sie, die finanzielle Absicherung von Überlebenden rechter Taten zukünftig zu gewährleisten?

Wie oben ausgeführt, handelt es sich meines Erachtens um eine allgemeinpolitische Aufgabe, die bundeseinheitlich zu regeln ist.

6. Was wollen Sie zukünftig präventiv unternehmen, um weitere rechte Taten zu verhindern? Z.B. im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße, wo es in den vergangenen Monaten immer wieder zu rassistischen Angriffen gekommen ist.

Prävention ist eine gesellschaftliche und eine polizeiliche Aufgabe. Langfristig sollte eine lebendig gehaltene Erinnerungskultur und eine klare Haltung gegen Hass, Hetze und Diskriminierung hoffentlich auch dazu beitragen, dass Taten verhindert werden. Kurzfristig müssen Vorfälle, die sich in unserer Stadt ereignen, einer strafrechtlichen Ahndung zugeführt werden. Außerdem müssen wir natürlich Schwerpunkte, in denen sich Vorfälle im Sinne krimineller Handlungen häufen, verstärkt in den Fokus polizeilicher Präsenz gerückt werden.

Antwort von Isabel Carqueville (SPD Kassel)

Sehr geehrte Menschen der Initiative 6. April,

vielen Dank für eure Anfrage und euer Engagement. Anbei meine Antworten
1. Wie positionieren Sie sich zu unseren oben benannten Forderungen?

Deutschland hat eine erhebliche Bringschuld gegenüber den Opfern rechter und faschistischer Gewalt und Herrschaft in den letzten 100 Jahren. Das betrifft sowohl die Ehrung, die Anerkennung ihres Leids und die materielle Entschädigung. Ich nenne die deutschen Spanienfreiwilligen, die ausländischen Zwangsarbeiter, die Zwangsarbeit in den KZ, Kommunist:innen, Widerstandskämpfer:innen, Homosexuelle, die aus „rassischen“ Gründen verfolgten Juden und Sinti und Roma. Erst jetzt werden die KZ-Gefangenen „Schwarzer Winkel“ und „Grüner Winkel“ anerkannt. Dazu kommen jetzt die Opfer neurechter Gewalt in den letzten 30 Jahren.

Das betrifft aber auch die tagtägliche Arbeit der politischen Vertreter:innen im Rathaus. Es wäre aus meiner Sicht unbedingt angebracht, zeitnah nach rassistisch motivierten Gewalttaten von Seiten des Rathauses aktiv den Kontakt zu den Betroffenen und deren Familien zu suchen. Und sei es nur, um von Mensch zu Mensch zu fragen: Wie geht es euch? Was habt ihr erlebt? Das wäre das Mindeste.

Denn die Politik, auch in Kassel, redet finde ich zu oft “über” die Betroffenen und zu selten mit ihnen. Ich habe deshalb auch in meinem Wahlkampf zusammen mit vielen Genossinnen und Genossen der SPD Kassel einen Schwerpunkt darauf gelegt, einen Straßen- und Häuserwahlkampf ganz bewusst in Quartieren mit einem hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund zu organisieren. Es geht mir dabei nicht darum, den Menschen Versprechungen zu machen oder zu sagen, was sie brauchen. Ich will, dass wir aufeinander zugehen und einander zuhören, und dafür will ich stets auch als Oberbürgermeisterin den ersten Schritt machen.

2. Planen Sie sich im Rahmen ihrer Amtszeit für die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße einzusetzen, wie bereits seit Jahren von der Familie Yozgat gefordert? 

Ich kann eine Umbenennung nicht befürworten:
 
* die Holländische Strasse als historische bedingter Straßenname ist identitätsbildend für den gesamten Stadtteil Holland/Nordstadt
* der Oberbürgermeister an sich ist für die Namensgebung nicht zuständig; als belastender Verwaltungsakt steht allen Anwohner das Widerspruchsrecht zu. Ich fände es verheerend, wenn dann deswegen eine Umbenennung nicht möglich wird
* angesichts der vielen Opfergruppen ist das Gleichgewicht der Opfergruppen zu berücksichtigen (siehe z.B. Erzbergerstrasse und Rathenauplatz )
* es wäre zu bedenken, ob eine neue Straße benannt wird; dabei muß der Grundsatzbeschluß berücksichtigt werden, dass bei Neubenennungen Frauen bevorzugt werden sollen. Zuletzt wurden die Anne Seghers und die Joe Cox Strasse benannt.
 

3. Wie soll für Sie die Unterstützung von Betroffenen und Überlebenden rechter Gewalt in Kassel zukünftig konkret aussehen? 

Mit der Ablehnung weiterer Genehmigungen für Veranstaltungen der Waffenbörse hat die SPD-Fraktion und der Magistrat einen wesentlichen Beitrag geleistet.
 
Gleichfalls hat die SPD-Fraktion eine Anlaufstelle einrichten wollen. Im Zuge der Beratungen und der Beschlußfassung ist durch Anträge der Grünen und der Linken diese Stelle leider verkürzt worden auf eine Antidiskriminerungsstelle. Und den grünen Dezernentinnen ist in den letzten 2 Jahren leider nichts gelungen, um diese bereits beschlossene Stelle einzurichten und zum Arbeiten zu bringen.


4. Was wollen Sie zukünftig zu einem würdigen Gedenken an rechte Taten in Kassel beitragen und welche Erinnerungspolitik wollen Sie verfolgen?

Mit dem 2012 gefaßten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung für die Stolpersteine, der Benennung der H. Y. Platzes und der jährlichen Veranstaltungen dort, der Stiftung des Demokratiepreises und aktuell dem Antrag der SPD/Linken, Hindenburg zu entehren – ist Kassel, mit den jährlichen Veranstaltungen am Ehrenmal im Fürstengarten, in Wehlheiden und Wilhelmshöhe, der Überprüfung von Straßennamen, auf einem guten Weg.
 
Einträge in städtischen Medien stehen immer unter Verantwortung des Magistrats – da der Magistrat und die Verwaltung auch für Einträge haften. Das wird leider nicht anders gehen.
 

Wo die Kommunikation mit Betroffenen, die Ehrung von Betroffenen und auch die Opferfonds auf Bundes – und Landesebene verbessert werden können, werde ich immer offen sein, mich dafür einzusetzen und den ersten Schritt dafür zu gehen.

5. Wie planen Sie, die finanzielle Absicherung von Überlebenden rechter Taten zukünftig zu gewährleisten? 

Ein Opferfond kann leider nicht von einer Oberbürgermeisterin eingerichtet werden. Hier geht das Haushaltsrecht der Stadtverordnetenversammlung vor. Als freiwillige Leistung wäre er immer von der Haushaltslage und der Genehmigungslage abhängig. Und ein solcher Fonds muß immer genehmigungs – und revisionssicher angelegt sein. Davon wäre die Ausgestaltung eines solchen Fonds abhängig.

6. Was wollen Sie zukünftig präventiv unternehmen, um weitere rechte Taten zu verhindern? Z.B. im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße, wo es in den vergangenen Monaten immer wieder zu rassistischen Angriffen gekommen ist.

Bei der Bekämpfung rechter Gewalt muß beachtet werden, dass die Prävention und die Verfolgung von Straftaten immer Aufgabe der Landespolizei und der Justiz. Hier könnte ich als Oberbürgermeisterin nur begleitend tätig werden.

Herzliche Grüße

Dr. Isabel Carqueville

Antwort von Kühne-Hörmann (CDU Kassel)

Sehr geehrte Damen und Herren der Initiative 6. April, haben Sie vielen Dank für Ihren Brief. In dem von CDU, Grünen und der FDP im Dezember 2022 abgeschlossenen Koalitionsvertrag für die Stadtverordnetenversammlung, den ich verhandelt habe und dem ich auch zugestimmt habe, finden sich folgende Passagen, die Leitlinie für die von Ihnen gestellten Fragen sind. „Wir wollen die Gedenkveranstaltungen für NSU-Opfer unter Federführung von Stadt und Land so weiterführen, dass ein würdiges Gedenken in enger Abstimmung mit der Familie sichergestellt ist. Wir kämpfen konsequent gegen Rechtsextremismus und setzen hierfür auch auf geeignete Präventionsarbeit. Insbesondere setzen wir uns für Gedenk- und Lernorte gegen Hass und Hetze ein. Die Landesprogramme gegen Extremismus, insbesondere Rechtsextremismus und andere verfassungsfeindliche Bestrebungen werden wir noch stärker in Kassel nutzen. Wir richten eine Diskriminierungsstelle ein.“ Für mich ist und war es immer eine Selbstverständlichkeit in unserem Rechtsstaat den Rechtsextremismus mit aller Kraft zu bekämpfen und sich besonders um die Opfer und Ihre Familien und Angehörigen und Freunde zu kümmern. In Kassel müssen wir die Präventionsangebote ausbauen. In Hessen gibt es inzwischen einen neuen Opferfond für Betroffene, den ich als Justizministerin mit auf den Weg gebracht habe sowie eine Opferbeauftragte, die Ansprechpartner für alle Fragen ist. Die Umbenennung der Holländischen Straße halte ich nicht für sinnvoll. Das Gedenken an Halit Yozgat wird immer in unseren Gedanken präsent sein und wir werden auch dafür sorgen, daß zukünftige Generationen sich an ihn erinnern werden. Mit Freundlichen Grüßen Eva Kühne- Hörmann

Antwort von Stefan Käufler

Hallo,
ich habe eure Anfrage gelesen, überlegt, abgewogen, überlegt, usw.
Wie schon bei den Anfragen zum Thema Rassismus, der Anfrage von faX Kassel (Thema sexualisierte Gewalt) und der Mitglieder der Mensch zuerst Gruppe habe ich mich entschieden hier nicht satirisch zu arbeiten. (Ich weiß, auch wieder eine Form der Ausgrenzung) Schon der Gedanke in der Klammer zeigt die Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas, dessen ich in diesem Format niemals gerecht werden könnte.
Ich hoffe, dass ihr bei den anderen Kandidaten mit euren Anliegen Gehör finden werdet.
Macht bitte weiter mit eurer Arbeit, denn sie ist wichtig.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Käufler
(privat, keine PARTEI)

Offener Brief an die Kandidierenden für die OB-Wahl der Stadt Kassel am 12. März 2023

Anfrage zur Positionierung der OB-Kandidat*innen zum Umgang mit Betroffenen von rechter Gewalt durch die Stadt und zur zukünftigen kommunalen Gedenkpolitik. Rückmeldungen bis zum 03.03.2023

Seit der letzten OB-Wahl ist in Kassel, im Kasseler Umland und in Hessen viel passiert. Der Mord an Walter Lübcke, der Mordversuch an B. Efe und der terroristische Anschlag in Hanau sind nur einige Beispiele, die rechte Kontinuitäten aufzeigen. Vorallem Initiativen Überlebender, Betroffener und ihrer Unterstützer*innen drängen auf ein würdiges Erinnern, kein Vergessen und vollständige, angemessene Aufklärung und Aufarbeitung dieser Taten. Im Zuge dessen laufen derzeit auch zwei Untersuchungsausschüsse zu dem Anschlag von Hanau und Mord an Walter Lübcke, die auch die Rolle des Landes Hessen und dessen Behörden in den Blick nehmen. 

Die Forderungen der Überlebenden und Betroffenen bieten auch für die Kommunalpolitik zahlreiche Möglichkeiten, aus der Vergangenheit zu lernen und sich aktiv in die Gestaltung einer Zukunft einzubringen, in der Betroffene rechter Gewalt an den Orten, an denen sie leben auch von den zuständigen Städten und Kommunen besser unterstützt werden. 

Trotz der bereits benannten, schweren rechten Gewalttaten und Morde, hat es die Stadt Kassel immer wieder versäumt, Betroffene und Überlebende zu unterstützen, auf sie zuzugehen und ihnen zuzuhören.  Wir wollen die/den zukünftige(n) Oberbürgermeister(in) auffordern, den Umgang mit Betroffenen rechter Gewalt gänzlich neu zu gestalten und eine angemessene städtische Unterstützung und Gedenkpolitik zu etablieren. Wir fordern von Ihnen: 

1.       Klare Worte finden!

Wir fordern eine öffentliche Solidarisierung mit Betroffenen rechter Gewalt, sowie die Anerkennung von alltäglicher, rechter Gewalt in Kassel. Auf dem Straßenschild der Walter-Lübcke-Brücke steht nur, dass er Opfer einer „politischen Tat“ wurde, aber nicht die rechte, menschenfeindliche Gesinnung des Täters. Das rechte Tatmotiv muss benannt werden.

2.       Klare Zeichen setzen! 

Zur öffentlichen Solidarisierung mit Betroffenen rechter Gewalt gehören klare Zeichen in der Stadt, die zeigen, dass Opfer und Taten nicht vergessen werden. Seit dem Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006 fordern die Familie und sozialpolitische Initiativen die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße sowie die Rolle von A. Temme aufzuklären. B. Efe fordert eine Gedenkplakete am Startpunkt der Taxifahrt vom 21.06.2022.

3.       Erinnern gewährleisten! 

Die Jahrestage der rechten Angriffe sollen in den Kalender der Stadt eingetragen und somit öffentliches Gedenken unterstützt werden. Unter Unterstützung verstehen wir finanzielle sowie infrastrukturelle Hilfe, aber keine Deutungshoheit über die Form sowie den Inhalt des Erinnerns.

4.       DIREKT mit Betroffenen sprechen!

Kontakt aufnehmen, Zuhören und ihre Wünsche ernst nehmen.

5.       Zugänge zum Opferentschädigungsfond erleichtern! Eigenen städtischen Opferfonds einrichten!

Die Missstände in die Landes- und Bundespolitik tragen und direkte Finanzierungsmöglichkeiten und -hilfen für Betroffene innerhalb der Stadtzuständigkeit fördern. Wir brauchen einen kommunalen Soforthilfe-Opferfonds für Betroffene rechter Gewalt.

6.       Rechte Netzwerke in Kassel offen legen und entwaffnen 

Anschließend an unsere Forderungen möchten wir Sie als Kandidierende für die OB-Wahl am 12. März bitten uns bis zum 3. März Antworten auf die folgenden Fragen in schriftlicher Form per Mail an Initiative.6.April[at]gmx.de zu liefern. Vielen Dank! Wir werden im Anschluss Ihre Antworten in einer Pressemitteilung veröffentlichen und einordnen. 

Unsere Fragen an Sie:

1. Wie positionieren Sie sich zu unseren oben benannten Forderungen?

2. Planen Sie sich im Rahmen ihrer Amtszeit für die Umbenennung der Holländischen Straße in Halitstraße einzusetzen, wie bereits seit Jahren von der Familie Yozgat gefordert? 

3. Wie soll für Sie die Unterstützung von Betroffenen und Überlebenden rechter Gewalt in Kassel zukünftig konkret aussehen? 

4. Was wollen Sie zukünftig zu einem würdigen Gedenken an rechte Taten in Kassel beitragen und welche Erinnerungspolitik wollen Sie verfolgen?

5. Wie planen Sie, die finanzielle Absicherung von Überlebenden rechter Taten zukünftig zu gewährleisten? 

6. Was wollen Sie zukünftig präventiv unternehmen, um weitere rechte Taten zu verhindern? Z.B. im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße, wo es in den vergangenen Monaten immer wieder zu rassistischen Angriffen gekommen ist.

Initiative 6. April

Zwei Jahre später – Wir vergessen nicht! Findet den Täter! Solidarität mit Efe!


Fahrrad- und Autokorso durch Kassel in Solidarität mit Efe.

Dienstag 21.06.2022, 16h ab Halitplatz.


Vor zwei Jahren wurde Efe während seiner Arbeit als Minicarfahrer von einem Kunden mit dem Messer in den Hals gestochen, nachdem der Täter ihn zuvor rassistisch beleidigt hatte. Der Täter ist bis heute nicht gefasst und das Ermittlungsverfahren mittlerweile sogar eingestellt. Wir wollen mit einer gemeinsamen Demonstration an die Tat und die offenen Fragen erinnern. Wir erwarten von der Kasseler Stadtgesellschaft und den lokalen Behörden mehr Aufmerksamkeit und mehr Selbstverständlichkeit dafür, dass alles unternommen wird, damit der Täter gefasst wird!

Gleichzeitig wissen wir, dass der Mordangriff auf Efe kein Einzelfall war. Wir wissen, dass es kein Einzeltäter war. Viele Kasseler Taxi- und Minicarfahrerinnen erfahren in ihrem Arbeitsalltag Rassismus von Kasseler Kund:innen. Der Angriff auf Efe reiht sich außerdem ein in eine Reihe rassistischer Morde und Mordversuche in Kassel. Bekannt sind u.a. die Morde an Halit Yozgat (6.4.2006) und Walter Lübcke (2.6.2019) und der Mordversuch an Ahmed (6.1.2016). Viele weitere Namen kennen wir nicht. Die Stadt steht exemplarisch für rechten Terror in Deutschland. Es sind keine Einzeltäter, sondern rechte Netzwerke. Kassel hat ein Problem mit rechten, rassistischen Strukturen, die überall auftauchen: auf der Straße, in Behörden, an der Arbeit, in der Schule – und in den Taxis und Minicars!

Seit zwei Jahren gehen wir in Solidarität mit Efe auf die Straße. Diese Solidarität ist bis heute enorm wichtig! Efe leidet noch heute an den körperlichen und psychischen Folgen des rassistischen Angriffes und kann nicht mehr als Minicarfahrer arbeiten und auch keinem anderen Job nachgehen. Weiterhin ist er auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Deswegen: Kommt mit uns auf die Straße zum Auto- und Fahrradkorso am 21.06.2021 um 16h an den Halitplatz. Bringt dazu Transparente und Schilder mit euren Forderungen mit und schmückt damit eure Autos und Fahrräder. Solidarität mit Efe muss praktisch bleiben!

Die Autos sammeln sich in der Mombachstraße (Richtung Wolfhager Str.).

Spendet für Efe: https://www.betterplace.me/solimitefe
Artikel zum aktuellen Stand: https://www.die-dezentrale.net/warum-ist-der-taeter-immer-noch-nicht-gefunden/

Gedenken an Halit Yozgat 2022

In Erinnerung an Halit Yozgat.
Seine Familie beschreibt ihn als humorvollen, aufgeschlossenen, zuverlässigen, freundlichen, humorvollen, hilfsbereiten und fürsorgenden jungen Mann.

Halit wurde am 6. April 2006 als neuntes Opfer vom NSU in Kassel ermordet. Am Tatort war #Verfassungsschutz-Mitarbeiter Andreas Temme. Dazu gibt es eine Analyse von Forensic Architecture.

Einen Monat nach dem Mord organisierten sich die Familien Yozgat, Şimşek und Kubaşık und machten eine große Demo durch Kassel mit dem Titel „Kein 10. Opfer!“. Sie thematisierten damals schon Rassismus als Motiv und sind bis heute eine Inspiration für Widerstand.

Wir gedenken heute Halit und allen anderen Opfern des NSU und rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Wir fordern die Umbennenung der Holländischen Straße in Halitstraße.
Die Familie veranstaltet heute (06.04.2022) wieder eine Gedenkveranstaltung. Sie findet um 15.30h am Halitplatz statt. Infos dazu hier: https://www.presse-service.de/public/Single.aspx?iid=1098750

Gedenken an Hanau 19.02.2022

Zwei Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau:

Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen!

#saytheirnames

Die Initiative 19. Februar Hanau hat Forderungen für angemessene Erinnerung, soziale Gerechtigkeit, lückenlose Aufklärung und politische Konsequenzen in die Öffentlichkeit getragen. Wir möchten uns ihrem Aufruf anschließen:

„ Am 19. Februar ist der rassistische Anschlag in Hanau zwei Jahre her.

Aktuell sprechen wir im Untersuchungsausschuss vor dem Hessischen Landtag über das Versagen der Behörden vor, während und nach der Tat, über die Schwerfälligkeit der Ämter bei der Unterstützung und Hilfe, über die Kälte der Bürokratie. Wir sprechen über das unverzeihliche Fehlverhalten der Sicherheitskräfte in der Tatnacht, über die Unwilligkeit und Schludrigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei den Ermittlungen, der Verfolgung von Spuren, dem Ernstnehmen neuer Bedrohungslagen und unserem Schutz. Wir sprechen über die wiederkehrenden Respektlosigkeiten und herabwürdigenden Gesten von Beamt:innen, Vertreter:innen von Behörden und der Polizei gegenüber Angehörigen und Überlebenden und sogar gegenüber den Toten. Wir sprechen über den Normalzustand von institutionellem Rassismus.

Die Namen der Opfer unvergessen machen. 

Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar         Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz,   Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin

Ihre Namen sollen erinnern und mahnen, den rassistischen Normalzustand im Alltag, in den Behörden, den Sicherheitsapparaten und überall zu beenden. 

Der rassistische Anschlag war auch ein Ergebnis der rechten Hetze von Politiker:innen, Parteien und Medien. Behörden und Sicherheitsapparate haben ihn durch ihre strukturelle Inkompetenz und Ignoranz weder verhindert noch aufgeklärt. Das ist das Zusammenspiel, das in den Handlungen Einzelner ihre mörderische Zuspitzung und Folge findet und deshalb sind rechte Terrorakte niemals Einzeltaten. Schluss damit! Damit wir keine Angst mehr haben müssen, muss es politische Konsequenzen geben. Rassismus, egal in welcher Form, darf nicht mehr geduldet, verharmlost oder ignoriert werden. Wir geben keine Ruhe!

Am 19.02.2022 ist Hanau auch in Kassel. Wir kommen mit solidarischen Menschen zusammen, um an die Opfer der erschütternden Morde in Hanau zu erinnern und zu gedenken. Für politische Konsequenzen!

Gedenkkundgebung an der Rathaus Treppe am 19.02.2022 um 16:30 Uhr. Bringt gerne Kerzen mit! Lasst Nationalflaggen und (partei-)politische Fahnen bitte zu Hause!

Wir sind Berlin-Neukölln, Halle, Köln, Nürnberg, Mölln, Kassel, Wächtersbach. Wir sind Kesselstadt, das JUZ, die Initiative 19. Februar Hanau und viele mehr.  

Wir stehen zusammen und kämpfen gemeinsam.

Gegen die Angst. Für das Leben.

Erinnern heißt verändern! 

Kasseler Vereine, Verbände, Gruppen, Initiativen und Organisationen

1 Jahr später – Warum ist immer noch kein Täter gefunden?

Fahrrad- und Autokorso durch Kassel, Montag 21.06.2021, 16h ab Halitplatz

Am 21.06.2020 also genau vor einem Jahr überlebte Efe einen rassistischen Mordversuch. Lasst uns mit und für ihn ein solidarisches Zeichen setzen!

Während seiner Arbeitszeit als Minicar-Fahrer wurde Efe von einem Kunden mit dem Messer in den Hals gestochen, nachdem der Täter ihn rassistisch beleidigte.

Der Täter wurde nach einem Jahr und detaillierten Hinweisen immer noch nicht gefasst. Warum?

Wir fordern von der Kasseler Polizei, der Kasseler Politik und der Kasseler Stadtgesellschaft mehr Aufmerksamkeit und mehr Selbstverständlichkeit dafür, dass alles unternommen wird, damit der Täter gefasst wird! Die Folgen der Tat für Efe und für alle, die es genauso hätte treffen können müssen sichtbarer werden!

Solidarisieren könnt ihr Euch mit Efe, indem ihr zum Auto- und Fahrradkorso kommt und bei der seit einem Jahr laufenden Spendenkampagne einen Beitrag dazugebt. Denn Efe kann wegen des Mordversuchs und der körperlichen und psychischen Folgen nicht mehr als Minicarfahrer weiterarbeiten.

Viele Kasseler Taxi- und Minicarfahrer*innen in Kassel erfahren alltäglich Rassismus von Kasseler Kund*innen.

Außerdem ist der rassistische Mordversuch an Efe vor einem Jahr kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine Reihe rassistischer Morde und Mordversuche in Kassel. Die Stadt steht exemplarisch für rechten Terror in Deutschland. Kassel hat ein Problem mit Rassismus. Er ist da: auf der Straße, in Behörden, an der Arbeit, in der Schule – und in den Taxis und Minicars! Das muss endlich ernst genommen werden und vor allem müssen die Täter*innen gefunden werden, damit der rassistische Terror aufhört – in Kassel und überall! Nach den rechten Täter*innen muss konsequent gefahndet werden.

Während der Demonstrationszeit wird darüber gesprochen: Ihr könnt euch vor Ort oder von Zuhause von 16:10 bis 17:00h unter der Frequenz 105.8 mHz beim Freien Radio Kassel oder unter https://www.freies-radio-kassel.de/live-stream.html einschalten.

Solidarität mit Efe! Findet den Täter! Gegen Rassismus!

Kommt mit uns auf die Straße zum Auto- und Fahrradkorso am 21.06.2021 um 16h an den Halitplatz. Bringt dazu Radios, Transparente und Schilder mit euren Forderungen mit und schmückt damit eure Autos und Fahrräder.

Spendet für Efe: https://www.betterplace.me/solimitefe

Fahndung der Polizei und alle Information zum Täterbild: https://tinyurl.com/yzrb65tf